Internat des Grauens

Internat des Grauens

von Cornelia Kiener.

Nadja, Silke und Linda kamen gerade aus dem Adler, einem kleinen Wirtshaus in Triesdorf. Es war 21 Uhr, und sie gingen langsam zum Internat zurück. Etwa hundert Meter weiter vorne sahen sie Simone, eine Mitschülerin, die ebenfalls ins Internat wollte.
Kurz bevor die drei Mädchen den Parkplatz vor dem Internat erreichten, geschah etwas Unglaubliches! Ein Wagen raste heran, zwei Gestalten sprangen heraus, zerrten Simone ins Auto und verschwanden mit ihr so schnell, wie sie gekommen waren!
Das gibt’s doch nicht!“, rief Linda fassungslos. Auch Nadja und Silke konnten nicht glauben, was sie da eben mit angesehen hatten.
Silke, geh du ins Heim, sperr dich in unserem Zimmer ein und lass keinen außer uns und Herrn Schneider rein. Hast du verstanden? – Komm lass uns hinterherfahren“, sagte dann Nadja zu Linda.
Die beiden stürzten zum Auto, um die Verfolgung aufzunehmen.
Da vorne sind sie!“, rief Linda und vergrößerte ihren Abstand, um nicht bemerkt zu werden. Nach kurzer Fahrt stoppten die Entführer am Friedhof, stiegen aus und gingen mit ihrer Geisel in ein altes Haus. Vorsichtig schlichen Linda und Nadja hinterher und betraten ebenfalls das Gebäude.
Wo sind die hin?“, fragte Linda.
Ich vermute, da lang“, meinte Nadja und zeigte auf die Treppe.
Wollen wir?“, fragte Linda unsicher und schaute ihre Freundin an.
Vielleicht mal kurz nachsehen, und dann rufen wir die Polizei, sobald wir wissen, was sie mit Simone vorhaben“, schlug Nadja vor. Hätte sie auch nur im geringsten geahnt, was sie dort unten zu sehen bekam, wäre sie auf der Stelle mit Linda geflohen, um sofort die Polizei zu alarmieren.
Leise schlichen sie die Treppe hinunter. Unten angekommen, hörten sie Simones Stimme.
Lasst mich los! Was wollt ihr von mir?“
Linda und Nadja beschleunigten ihre Schritte und spähten vorsichtig in den Raum, aus dem die Stimmen kamen. Ihre Mitschülerin wurde zu einem großen, schwarzgekleideten Mann gezerrt, der von fünf weiteren Personen umringt war.

Wir haben sie Lacroix“, sagte einer der Entführer.
Sehr gut. Bringt sie her zu mir“, befahl dieser. Erneut versuchte Simone freizukommen. Ohne Erfolg. Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie Lacroix an, der grinsend auf sie zukam.
Entsetzt schrie sie auf, als er den Mund öffnete und zwei spitze Vampirzähne zum Vorschein kamen. Er fasste ihr ins Haar und zog den Kopf zur Seite. Dann senkte er den Kopf und biss zu!
In diesem Augenblick stürzten Nadja und Linda panisch davon. Sie hasteten zum Auto und rasten zum Internat zurück.

*

Die überstürzte Flucht der beiden war nicht unbemerkt geblieben. Angel hörte als erster das Geräusch davonlaufender Schritte und hastete hinaus, um nachzusehen. Als er auf die Straße trat, sah er die beiden Mädchen ins Auto steigen und davonfahren. Sofort ging er wieder nach unten, um Lacroix Bericht zu erstatten. Dieser beschloss daraufhin, dem Internat später einen Besuch abzustatten, um sich um die unliebsamen Zeugen zu „kümmern“.

*

Völlig durcheinander von dem eben Erlebten, erreichten Nadja und Linda das Internat. Sie gingen in ihr Zimmer, wo Simone auf sie wartete.
Sagt mal, was ist denn mit euch los? Ihr seid ja kreidebleich. Habt ihr herausgefunden, wo sie Simone hingebracht haben?“, wollte Silke wissen.
Das uns noch viel mehr“, meinte Nadja leise und sah Silke ernst an. Dann erzählten die beiden, was sie erlebt hatten.
Silke konnte nicht glauben, was sie da hörte. „Und was habt ihr jetzt vor? Wollt ihr es irgendjemandem erzählen?“
Wem denn? Der Polizei, dem Heimleiter oder wem? Das glaubt uns keiner, Silke“, sagte Linda. Die drei überlegten, was sie tun sollten, kamen aber zu keinem Ergebnis. Zwar wussten sie aus Büchern und Filmen, wie man Vampire bekämpfen kann, doch selber dagegen anzugehen, das war ihnen zu gefährlich.
Silke trat ans Fenster und schaute hinaus. „Da kommt jemand, ich glaube, das ist Simone, und sie ist nicht allein“, sagte sie plötzlich. Nadja und Linda wurden blass. Nadja trat ebenfalls ans Fenster. „Mein Gott, sie sind zu dritt und sie kommen direkt hierher. Dieser Lacroix ist auch dabei. Die müssen uns vorher bemerkt haben. Los, Beeilung, wir müssen hier raus! Silke, geh du bitte ins Zimmer von Steffi und Marion und bleib da“, sagte sie, dann hastete sie mit Linda hinaus und die beiden verließen das Internat durch den Hintereingang.

*

Silke hielt sich seit etwas einer Viertelstunde im Zimmer von Steffi und Marion auf, als es an der Tür klopfte. Steffi öffnete. Draußen stand Herr Schneider. „Guten Abend, ist die Silke bei euch? Ich muss kurz mit ihr reden“, sagte er. Steffi drehte sich um. „Silke, Herr Schneider will mit dir reden.“
Silke kam und wollte wissen, was los war. „Das möchte ich gerne mit dir allein besprechen. Können wir in euer Zimmer gehen?“ Silke nickte und ging voraus. Nichts Böses ahnend öffnete sie die Zimmertür und knipste das Licht an.
Als sie wieder aufsah, erstarrte sie! Mitten im Raum stand Lacroix! Bevor sie reagieren konnte, erhielt sie von hinten einen kräftigen Stoß, dass sie auf den Vampir zu taumelte.
Lacroix packte sie und stieß sie mit dem Rücken gegen die Wand, wo er sie festhielt. „Ah, Sie tun mir weh. Was wollen Sie von mir?“, schrie sie erschrocken.
Ich denke, das weißt du. Wo sind deine Freundinnen?“, wollte er wissen.
Ich weiß es nicht. Sie haben mir nicht gesagt, wo sie hinwollen. Bitte, bitte lassen Sie mich gehen“, flehte Silke angstvoll.
Tut mir leid für dich“, sagte er kalt und schlug ihr seine Zähne in den Hals!

*

Eine halbe Stunde später waren Nadja und Linda wieder vor dem Internat. „Ob die Vampire noch hier sind?“, fragte Linda. Nadja schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Aber irgendwann müssen wir wieder rein. Vielleicht sollten wir jetzt doch die Polizei rufen. Hast du dein Handy dabei?“
Nein, alles ging so schnell, da habe ich es liegenlassen.“
Okay, dann nimm meine Telefonkarte und ruf von der Telefonzelle an.“
Ja und du?“
Ich werde drinnen die Lage peilen.“
Ist das nicht zu riskant? Achtung, da kommt jemand!“ Schnell zog Linda ihre Freundin zur Seite. Die beiden sahen wie Lacroix das Heim verließ und davonging.
Siehst du, die Luft ist rein. Also ich gehe jetzt hinein und du rufst die Polizei. Verstanden?“
Na gut. Aber sei vorsichtig, Nadja, falls Simone da drin sein sollte.“
Keine Angst, ich pass auf mich auf.“

*

Nadja schaute Linda noch kurz nach, dann ging sie ins Heim. Sie betrat das gemeinsame Zimmer und sah Silke regungslos auf dem Bett liegen. „Silke!“, rief sie und lief zu ihr, doch beim Näherkommen erkannte sie, dass es zu spät war. Deutlich waren die beiden Male an Silkes Hals zu erkennen!
Sie drehte sich um und wollte das Zimmer verlassen, als sie gegen Simone prallte. „Hallo Nadja, da bist du ja endlich. Warum denn so eilig? Bleib doch hier“, bat sie und lächelte Nadja so an, dass diese ihre beiden Vampirzähne sehen konnte.
Hinter ihr tauchten der Heimleiter und ein weiterer Vampir auf. „Nein, nein, bitte nicht“, flüsterte Nadja eindringlich, während sie bis an die Wand zurückwich.
Simone, kümmere dich um die anderen und Gerd, du schließ die Tür hinter Simone ab. Ich möchte nicht gestört werden“, meinte Angel, dann wandte er sich Nadja zu. „So – und jetzt zu dir, Kleines. Komm her zu mir.“ Als sie nicht reagierte, ging er langsam auf sie zu.
Zitternd vor Angst stand Nadja an der Wand und starrte wie gebannt auf den Vampir, der sich ihr näherte. Er öffnete den Mund und präsentierte ihr seine Vampirzähne. Nadja wollte schreien, doch Angel legte ihr die Hand auf den Mund. Panik überkam sie und erst jetzt begann sie sich zu wehren. Er hielt sie fest und sagte: „Ruhig, Nadja, du wirst doch jetzt nicht noch Theater machen wollen? Ist doch eh gleich vorbei.“
Ihr Widerstand erlosch und sie ließ wehrlos zu, dass er ihren Hals freilegte. Sie schloss ergeben die Augen und begann zu weinen.
Angel biss zu!
Nadja schrie kurz auf, als sie den scharfen Schmerz am Hals spürte und ein letztes Mal flackerte Widerstand in ihr auf. Doch der erlosch sofort wieder und dann wurde es dunkel um sie.

*

Wenige Minuten später kam Linda ahnungslos von der Telefonzelle zurück. Sie betrat die Eingangshalle und lauschte, ob etwas zu hören war.
Doch es war alles still. Die Vampire schienen nicht hier zu sein. Schnell ging Linda weiter. „Wo willst du denn so schnell hin, Linda?“, fragte plötzlich eine Stimme hinter ihr!
Linda fuhr herum – und erstarrte. Unbemerkt war Lacroix hereingekommen. „Nein“, flüsterte sie, drehte sich um und wollte fliehen, als sie gegen Angel stieß. Mit einem Aufschrei wich sie wieder zurück. Entsetzt blickte sie von einem Vampir zum anderen.
Sie gehört dir, Angel“, sagte Lacroix und trat von hinten an Linda heran, um sie festzuhalten. „Nein, lass mich los!“, schrie sie auf und versuchte verzweifelt sich zu befreien. „Nein, nein!“, rief sie panisch, als ihr Kopf zur Seite gezogen wurde. Im nächsten Moment spürte sie einen brennenden Schmerz am Hals und zuckte heftig zusammen. Dann wurde es dunkel um sie.

E N D E